Interview mit Gabriele Aigner - Praxis für systemische Einzel-, Paar- und Sexualtherapie
1. Frau Aigner, was hat Sie motiviert, Sexualtherapeutin zu werden und warum haben Sie sich für dieses Spezialgebiete entschieden?
Ich war schon immer körperbetont, tanze gerne, beschäftige mich seit Anfang der 90er Jahre mit Tantra und liebe Sex. In Meditations-Retreats und, Selbsterfahrungsseminaren erforschte ich das Menschsein und Beziehungsformen. So war klar, dass in der Ausbildung zur systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin mein Schwerpunkt bei Paar- und Sexualtherapie liegt. Diese beiden Lebensbereiche interessieren und faszinieren mich jeden Tag in meiner Arbeit – wie Menschen ihr Zusammensein so individuell gestalten.
2. Mit welchen Themen kommen Klienten zu ihnen?
Meine Klienten sind zwischen 16 und 84 Jahren und ich berate Frauen, Männer und Paare.
• Paare kommen in der Mitte des Lebens, wenn der Familienalltag von beiden viel Kraft und Zeit einnimmt und kein Platz mehr für Erholung, Paarzeit und Sexualität bleibt oder Dauerstreit die Beziehung bedroht.
• Ich arbeite mit Paaren an Kommunikation, Konfliktlösungsstrategien, achtsamerem Umgang miteinander, einander wirklich zuhören.
• Auch praktisch Organisatorisches: Werte und Prioritäten prüfen, z.B. Sauberkeitsanspruch, oder Medienzeit reduzieren, hilfreich entlastende Zeiteinteilung mit den Kindern, um ein bisschen mehr Zeit zu haben.
• Alte Verletzungen aufarbeiten, z.B. Affairen
- • Wieder Raum schaffen für Intimität, Nähe, Zärtlichkeit
- • Wenn die Kinder aus dem Haus sind, stellt sich für ein Paar die Frage: Was verbindet uns jetzt noch? Wie wollen wir gemeinsam weiterleben?
- • Frauen kommen zu mir, die kaum oder keine Lust bei Sexualität erleben, oder sogar Schmerzen haben, die keine medizinische Ursache vorweisen.
- • Männer suchen mich auf, die selbst unter „Sexsucht“ oder zu viel Pornographiekonsum leiden
- • Junge Paare, die unsicher sind, wie sie ihre Beziehung offen und lebendig gestalten. Diese und andere Fragen begleite ich.
3. Welche therapeutischen Methoden bieten Sie an?
• Als systemische Therapeutin liegt mein Fokus nicht nur auf einer einzelnen Person, sondern ich erfrage immer auch detailliert die Situation des Lebensumfelds, Arbeit, Familie und Herkunft. Ein Problem kann viele Ursachen und Zusammenhänge haben. bei familiären Problemen ist es manchmal hilfreich auch andere Familienmitglieder einzuladen.
• Ich biete Familienstellen an und Skulpturarbeit für Paare und Einzelpersonen.
• Bei sexuellen Dysfunktionen erweisen sich neben aufklärenden anatomischen Informationen vor allem auch praktische sexologische Methoden wie Atem-, Entspannungs- und Bewegungsübungen als sehr hilfreich.
• Ich arbeite mit Tiefenentspannung, Trance bzw. Hypnose.
• Und ich begleite Menschen in Transition und sexueller Identitätsfindung.
Ich reise gerne, liebe es, Menschen anderer Kulturen kennenzulernen und spreche mehrere Sprachen – deshalb biete ich auch Therapie für binationale Paare in Englisch und Italienisch an.
4. Welche Ausbildungen haben Sie absolviert?
Ich bin Heilpraktikerin beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie und Lebens- und Sozialberaterin / Österreich
Wesentliche Aus- und Weiterbildungen
• Zertifizierte systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin
• Zertifizierte systemische Sexualtherapeutin
• Klinische Sexologin - Sexocorporel ISI zertifiziert ZIST Schweiz und ISP Wien
• Curriculum Systemische Paartherapie - Dr. Arnold Retzer
Weitere Informationen zu Gabriele Aigner
5. Gibt es im therapeutischen und sexologischen Bereich ein Vorbild, das Ihre Laufbahn besonders geprägt hat?
Ja! Viele wunderbare Menschen und Dozent*innen: Dr. Angelika Eck, Dr. Melanie Büttner, M.A. Ann-Marlene Henning, Prof. Dr. Ulrich Clement, Prof. Dr. Christoph J. Ahlers und seit über 20 Jahren „mein Tantraguru“ Daniel Odier
6. Gibt es aktuell Hilfen oder Neuerungen, die Ihnen Ihren Praxisalltag erleichtern können?
Mein Online Buchungssystem erleichtert Klienten die direkte schnelle Terminvereinbarung
7. Wo sehen Sie in Ihrem Fachgebiet die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Wir leben wirklich in herausfordernden Zeiten.
Internet, Serien, Werbung und Pornografie haben großen Einfluss auf die Gesellschaft und jede*n einzelne*n bis hinein in unsere Schlafzimmer. Medien beeinflussen unsere Beziehungsgestaltung und Sexualität.
Es braucht dringend juristische Regelungen für Jugendschutz und Altersbeschränkung von Pornografie und in alle Grundschulen frühe und professionelle sexualpädagogische Aufklärung und Medienschulung für Kindern und Jugendlichen, damit sie sich in dieser überflutenden Welt gut zurechtzufinden und auch kompetent schützen und abgrenzen zu können.
8. Was wird an Ihrem individuellen Umgang von Ihren Klienten besonders geschätzt?
Dass wir schwere Themen auch mal mit Humor und Leichtigkeit angehen – Lachen verhilft durchaus zu Perspektivwechsel. Und meine professionelle offene Neugierde – egal welchem (Sex-)Thema gegenüber.
9. Was schätzen Sie an Ihren Patienten besonders?
Mut überhaupt zu kommen.
Ich bin überzeugt: Ganz viele Paare ringen mit genau den gleichen Themen oder Probleme wie „meine“ Klienten– das sind einfach urmenschliche Themen.
Die, die zu mir kommen – das sind die Mutigen, die Neugierigen, die mehr wollen, die es besser machen wollen, die lernen und verstehen wollen, wie Beziehung schöner, ehrlicher, freundlich und freudiger werden kann, was Ursachen von Streit und Lösungen für Probleme sind warum so wenig Schönes im Bett läuft und wie Sex für beide erfüllender sein kann.
Ich habe ehrlich Achtung vor jeder Person, die kommt – und ich tu mein Bestes, sie auf ihrem Weg zu unterstützen.
Paar- und Sexualtherapie – so wichtig das ist – für viele ist es noch kein leichter Weg. In anderen Lebensbereichen lässt man sich selbstverständlich helfen: Zahnarzt bei Zahnschmerzen, Mechaniker, wenn beim Auto ein Warnlicht leuchtet.
Es als Paar nicht zu schaffen, zu glauben, man sei allein mit den Schwierigkeiten – bei allen andern läuft´s ja super, die haben dauernd Sex und streiten nie – das ist immer noch eine Hemmschwelle und mit Scham verbunden.
Dabei kann Beratung so hilfreich sein – und manchmal brauchts nicht viel, um zu verstehen, was man anders machen kann und dann läufts gleich viel besser. Leider kommen viele erst nach langen Jahren von Streit und gegenseitigen Verletzungen und dann ist es manchmal einfach schon zu spät für eine gemeinsame Lösung. Das ist sehr schade. Aber selbst bei Trennung kann Beratung hilfreich sein. Denn es macht für die Kinder, die Familie und das Leben nach der Trennung einen großen Unterschied ob es ein endloser Rosenkrieg war oder ob man sich soweit friedlich respektvoll trennen konnte und als Elternteil noch einen vernünftigen Umgang hat um weiterhin gut gemeinsam für die Kinder da zu sein.
10. Gibt es ein besonderes Erlebnis mit einer Klientin oder einem Klient, das Sie nicht vergessen werden?
Ja. Ich begleite vor Jahren ein Paar mit Kindern bei der Trennung. Nach 2 Jahren kam der Mann wieder mit seiner neuen (ebenfalls geschiedenen) Freundin. Beide Hals über Kopf verliebt. Und sie wollten einfach wissen, was sie diesmal von Anfang an beachten können, damit es jetzt gut läuft. Ein so schönes Beispiel, dass es nach Trennung auch gut weitergehen kann.
11. Welchen Tipp möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Beziehung ist immer mal wieder Achtsamkeitsarbeit, bei der man sich unterstützen lassen kann.
Basis einer guten Beziehung ist ein guter Umgang miteinander. Dazu gehört Reden, Austausch, immer wieder, auch wenn´s manchmal nicht leicht ist oder auch echt anstrengend, sich ehrlich mitzuteilen.
Ab und zu schöne Sachen miteinander machen. Mal eine kleine Aufmerksamkeit und Kompliment im Alltag kann Wunder wirken. „Danke“ ist ein Zauberwort – nicht nur bei Kindern. Und körperliche liebe- und lustvolle Zuwendung.
Verhalten Sie sich einfach so, dass Sie selbst gerne mit sich zusammen wären 😉
Zur Person
Ich lebe im herrlichen Inntal und München mit meinem Partner, bin begeisterte Tante und koche gerne nach Ottolenghi.
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